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on media practice teaching

Medienpraxis pflegen – Ein Bericht by AK Medienpraxis

Roboter in der Lehre by Florian Sprenger

Programming and Media Studies by Mace Ojala

Medienpraxis pflegen – Ein Bericht

von Steffen Reinhard, Paul Leon Hoffstiepel, Antonia Wulff, Johannes Passmann

Welche Rolle spielt Medienpraxis in deutschsprachigen universitaeren Studiengaengen der Medienwissenschaft? So divers die Lage ist – unsere Beobachtung im Kontext des Lehr- und Forschungsprojekts Medienpraxiswissen hat sich verdichtet: in der Regel fehlt eine Verbindung zwischen Praxis und wissenschaftlichem Studium. Eine Diagnose aus unserem Projekt war, dass dies auch einer Praxis geschuldet sein kann, die sich an beruflichen Perspektiven orientiert und den Blick auf eine Karriere nach der Universitaet gerichtet hat (vgl. Heinicker et al., 2023: 152).

Das Problem der Medienpraxis, das wir hier aus primaer studentischer Perspektive beschreiben, ist deshalb nicht, dass dem von Studierenden haeufig geaeusserten Interesse, sich mit praktischer Arbeit auseinanderzusetzen nicht nachgekommen wird. Problematisch ist vielmehr, dass Medienwissenschaft und Medienpraxis als zwei grundsaetzlich zu trennende Kategorien behandelt werden. Im Ergebnis hilft Medienpraxis in aller Regel nicht dabei, Medienwissenschaft besser zu verstehen. Vielmehr wird Medienpraxis zu einer eigenen Insel im Studium, die nicht uninteressant und auch ganz sicher nicht unnuetz ist.

Diese Insulierung der Medienpraxis ist aber dennoch ein Problem: Das medienwissenschaftliche Studium wird im Vergleich zu anderen Studiengaengen schmaler. Zugleich entsteht eine Medienpraxis, die mit der der Film- und Fachhochschulen nicht mithalten kann. Potenziale, die mit einer besseren Integration von Medienpraxis und Medienwissenschaft entstehen koennten, werden nicht genutzt.

Die Leiter des Projekts Medienpraxiswissen haben deshalb dafuer plaediert, nicht zu versuchen, die Grenzen zwischen Medienpraktischen und den anderen Anteilen des Studiums aufzuloesen, sondern das Verhaeltnis beider zueinander langfristig in den Blick zu nehmen und zu „pflegen“. Sie sprechen deshalb von einer „gepflegten Medienpraxis“ (Passmann und Sprenger 2023).

Was der Artikel von Johannes Passmann und Florian Sprenger allerdings nicht erklaert ist, wie diese Pflege aussehen soll. In dem vorliegenden Artikel moechten wir dies zwar nicht final beantworten. Wir moechten allerdings unsere Versuche darlegen, diese Arbeit zu leisten. Hierbei war die Grundueberlegung, dass Studierende einzubeziehen sind, dies allerdings nicht unbezahlt geschehen sollte. Den vorliegenden Text schreiben wir deshalb aus Perspektive der studentischen Mitarbeitenden im Kontext dieses Projekts – mit Unterstuetzung eines der Projektleiter.

Hierfuer haben wir einen „Arbeitskreis Medienpraxis“ (AKM) gegruendet, der teils auch auf vorherige Versuche zurueckgeht, studentisch verantwortete Medienpraxis am Institut weiterzuentwickeln. Die Grundbewegung des AKM ist es, nicht auf der Seite der Praxisbereiche, sondern der medienwissenschaftlichen Lehre anzusetzen. Unser Ziel zu Beginn des Projekts war es, medienpraktisches Tun staerker in der Theorielehre zu positionieren.

Experimentalanordnung

Da fuer uns zu Beginn des Projekts im Fruehjahr 2022 noch nicht klar war, wie solche studentisch verantwortete Medienpraxis in medienwissenschaftlichem Kontext aussehen kann und soll, haben wir zunaechst eine Experimentalphase von einem Jahr festgelegt. Innerhalb dieser Zeit sollte getestet werden, wie die Arbeit des AKM im Institut sinnvoll gestaltet werden kann. Grundueberlegung dabei war stets, dass unser Ziel ist, Medienpraxis in die bestehende wissenschaftliche Lehre einzubinden. Dafuer hat der AKM zunaechst ein eigenes Lehrkonzept entwickelt, das mit Dozierenden, die ein Interesse an einer solchen Einbindung haben, in persoenlichen Gespraechen diskutiert wurde. Das Konzept wurde dann gemeinsam mit der Lehrkomission besprochen.

Der Ablauf dieses Einbindungsversuchs: Der AKM bekommt jedes Semester zum fruehestmoeglichen Zeitpunkt das Vorlesungsverzeichnis des Instituts. Nach einer ausfuehrlichen Lektuere werden dann Veranstaltungen ausgewaehlt, die sich fuer eine Einbindung zu eignen scheinen. Der AKM bietet dann in der Regel Tutorien fuer die medienpraktischen Skills, die in der betreffenden Veranstaltung relevant waere: Moechte etwa ein:e Lehrende:r Video-Essays erstellen lassen, wuerde der AKM ein Video-Tutorium anbieten, das sich im Kontext wissenschaftlicher Video-Essays positioniert. Nach Ablauf der Experimentalphase wurden die Ergebnisse der Arbeit in einem Bericht zusammengetragen und dem Vorstand des Instituts fuer Medienwissenschaft (IfM) mit dem Ziel vorgelegt, die weitere Finanzierung des AKM zu sichern.

Das Experiment

Die Idee einer „gepflegten“ Form der Medienpraxis, die stets das Verhaeltnis von Medienwissenschaft und Medienpraxis im Blick hat, diente als Basis fuer das Experiment des AKM. Um herauszufinden, wie dies gelingen kann, haben wir ab Oktober 2022 semi-strukturierte Interviews mit Lehrenden des IfM durchgefuehrt. Dabei ging es uns auch darum, den Dialog mit dem gesamten Institut zu suchen und den Ansatz des AKM zu diskutieren. Zugleich wollten wir die Bedarfe der Lehrenden bezueglich Medienpraxis in der Lehre eroertern.

Die Entwicklung des Lehrkonzepts baute zum einen auf den Gespraechen mit den Dozierenden auf und zum anderen war es uns auch wichtig, ueber die Moeglichkeiten der alternativen Leistungserbringung fuer Studierende nachzudenken. Formate wie Referate oder Lesekarten sollen zwar weiterhin angeboten werden, jedoch besteht unser Vorschlag daraus, medienpraktische Arbeiten als fest integrierte Alternativen zu etablieren. Aus diesem Grundgedanken sind zwei zentrale Tutorienkonzepte zu Videoarbeiten und Podcasts hervorgegangen. Waehrend der Entwicklung und auch der Durchfuehrung dieser Tutorien, waren wir durchgehend mit der Herausforderung konfrontiert, den wissenschaftlichen Standard trotz des Medienwechsels beizubehalten. Dementsprechend war es notwendig, bewaehrte wissenschaftliche Praktiken beizubehalten und gleichzeitig neue zu entwickeln, die nicht nur etwa dem Medium eines Videos gerecht werden, sondern auch zu einer langfristigen universitaeren Medienpraxis beitragen koennen.

Der Fokus auf audiovisuelle (AV) Medien ergab sich primaer aus den Gespraechen mit den Dozierenden, da wir dort immer wieder einen Rueckbezug auf Formate wie den Video-Essay beobachten konnten. Darueber hinaus ist der Umgang mit AV-Medien in der Medienpraxis am IfM lang tradiert und diente in unserer Arbeit als Ausgangspunkt fuer die Tutorienkonzepte. Die Tutorien bestanden demnach daraus, grundlegende Faehigkeiten der AV-Medienproduktion zu vermitteln und mit den Studierenden in ein Gespraech ueber generelle wissenschaftliche Praktiken zu kommen. So gab es zu Beginn einiger Tutorien einen Austausch ueber verschiedene Formen der Literaturrecherche oder Zitierweisen. Dadurch konnte eine Grundlage fuer den weiteren Verlauf des Tutoriums geschaffen werden, da wir den Studierenden auch Elemente der Konzipierung einer AV-Arbeit, wie etwa das Erstellen eines Skripts naeherbringen wollten. Nach einer kurzen Einweisung in ein frei zugaengliches Schnittprogramm, begann der Praxisteil, in dem die Studierenden in Gruppen eingeteilt wurden und mit ihren mobilen Endgeraeten Aufnahmen machen sollten, um diese dann zu schneiden.

Die Erwartung dieser uebung bestand nicht darin, wissenschaftlich anspruchsvolle Arbeiten zu produzieren, sondern den Studierenden die Moeglichkeit zu bieten, sich mit dem Medium auseinanderzusetzen. Waehrend dieser uebungen entstanden Filme, die nur wenige Minuten lang waren, jedoch bereits mit verschiedenen Schnitt- und Aufnahmetechniken versehen waren.

Die Tutorien konnten in ersten Veranstaltungen erprobt werden. Dabei stellten wir fest, dass bei den Studierenden nicht nur das Interesse besteht, sich mit videographischen Formaten auseinanderzusetzen, sondern auch, dass bei einigen bereits die notwendigen Faehigkeiten vorhanden waren. Die Erfahrungen im Umgang mit verschiedenen Medientechniken, wie etwa Kameraarbeit oder Schnittprogrammen haben Studierende teils im privaten Umgang, in Nebenjobs oder waehrend Praktika sammeln koennen. Mit der Zunahme an Veranstaltungen, in denen das Tutorienkonzept durchgefuehrt wurde, konnte dieses auf Basis von Rueckmeldung der Studierenden und Dozierenden verfeinert und weiterentwickelt werden.

Auch ausserhalb der Tutorien, unternahmen wir Versuche, die Medienpraxis am IfM weiter zu pflegen: Im Wintersemester 2022/23 startete das Master-Projektmodul Werkstatt Medienpraxis unter der Leitung von Johannes Passmann. Das Seminar plante, dass die Studierenden innerhalb von zwei Semestern ein wissenschaftliches Videoformat entwickeln und produzieren. Zu Beginn der Veranstaltungen tauschten sich die Studierenden ueber bereits gesammelte Erfahrungen mit medienpraktischer Arbeit aus. Hier bestaetigen die Gespraeche erneut die Annahme, dass die meisten Studierenden bereits grundlegende Faehigkeiten besassen.

Infolgedessen begann die Vorbereitung fuer den weiteren Verlauf des ersten Semesters, indem wir verschiedene essayistische Videos, die sich mit unterschiedlichen Themen beschaeftigen sichteten. Hintergrund dieser Sichtung war es, dass wir den Studierenden ein Gefuehl dafuer vermitteln, wie Wissen in einem videographischen Format generiert und wiedergegeben wird. Im naechsten Schritt wurden mittels close reading Sitzungen theoretische Grundlagen erarbeitet, um potenzielle Themen zu eroertern. Die Studierenden schoepften bei der Wahl der Themen aus unterschiedlichen Gebieten, was die Auswahl der Literatur als herausfordernd darstellte. Grundsatz war auch hier, Theorie angemessen in die Praxis zu ueberfuehren, ohne die Praezision einer schriftlichen Arbeit beim uebergang in eine videographische zu verlieren (vgl. Tascón 2018: 140). Gleichzeitig sollte jedoch auch explizit die Wirksamkeit einer Bildsprache zum Einsatz kommen, die aus einer Anpassung der wissenschaftlichen Arbeit an die Medienlogiken der Bildproduktion hervorgeht (vgl. Metag 2019, 294).

Ziel war deshalb stets nicht der Video-Essay, sondern die Video-Hausarbeit. Diese Form einer wissenschaftlichen Arbeit verlangt neben einer theoretischen Grundlage, dass die Studierenden Material finden, auf das sie diese Theorien adaequat anwenden koennen. Neben der Literaturrecherche begannen die Studierenden mit der Videorecherche. Diese bildete spaeter die Basis fuer die Video-Hausarbeiten. In Datensitzungen sichteten und analysierten wir gemeinsam das Material, woraufhin Fragestellungen und Thesen formuliert wurden. Zu diesem Zeitpunkt des Projekts wurden erste Versionen eines Skripts angefertigt. Hier zeigte sich bereits der Unterschied zu einer schriftlichen Hausarbeit: Da die Studierenden die Texte im Verlauf der Produktion vertonen mussten, war auch hier eine Transferleistung notwendig, um Texte zu schreiben, die fuer einen solchen Zweck geeignet sind und gleichzeitig auch inhaltlich dem qualitativen Standard einer Hausarbeit entsprechen.

Neben weiteren Datensitzungen zur Analyse von Quellenmaterial, produzierten die Studierenden erste Versionen ihrer Projekte. Diese waren nur wenige Minuten lang, konnten jedoch in gemeinsamer Analyse bereits auf die Standfestigkeit des visuellen Konzepts und der Argumentationsstruktur ueberprueft werden. Die wissenschaftlichen Standards, die etwa bei Hausarbeiten an Studierende im Umgang mit Quellen gestellt werden, konnten in diesem Seminar somit auf das Medium der AV-Produktion uebertragen werden.

Bis zur Fertigstellung und Abgabe der Projekte im September 2023, fuehrten wir weitere Sitzungen durch und sichteten den aktuellen Stand der Projekte. Zu diesem Zweck zogen wir fuer einige Sitzungen die Expertise von Christan Heinke, dem Leiter der Mediathek am IfM dazu. Gemeinsam arbeiteten wir insbesondere Feinheiten im Schnitt und in der Bildsprache der Videos aus.

Sowohl durch die Tutorien als auch durch das Projektmodul, konnten wir einige Erkenntnisse fuer die Weiterentwicklung der Medienpraxis am IfM gewinnen. Zum einen wurde deutlich, dass die einfache Verwendung von Medientechnik, wie etwa Schnittprogramme nicht ausreicht, um ein Format zu entwickeln, dass den Grundgedanken des wissenschaftlichen Arbeitens weiterdenkt und in der Lage dazu ist, neue Standards zu entwickeln. Die Konzeption der Video-Hausarbeit, wie sie in dem Projektmodul stattgefunden hat, setzte eine spezifische Fragestellung voraus, die einen medienpraktischen Zugriff dieser Art ueberhaupt erst zulaesst. So beschaeftige sich ein Teilnehmer des Projektmoduls mit dem Thema kuenstliche Intelligenz in Videospielen und konnte in diesem Kontext Visualisierungspraktiken erarbeiten, die den Transferprozess der Thematik von einem schriftlichen in ein visuelles Medium ermoeglichten. Ein weiterer Student setzte sich mit Dokumentationen, die die Entstehung von Musikproduktionen begleiteten, auseinander. Hier konnte mittels des recherchierten Materials die affektive Stimmung eines Tonstudios wiedergegeben werden.

Die technischen Gegebenheiten sind also massgeblich an der Konzeption solcher Arbeiten beteiligt, koennen jedoch lediglich dann ihr volles Potenzial ausschoepfen, wenn sie gegenstandsadaequat angewandt werden. Die Experimentalphase des AKM hat uns dabei zum einen gezeigt, dass der Grundsatz einer gepflegten Medienpraxis nicht nur auf den technischen Faehigkeiten der Studierenden aufbaut oder der Moeglichkeit Teilnahmenachweise fuer Seminare mit AV-Produktionen zu erlangen, sondern auf einem Sprechen ueber Medienpraxis. Zum anderen konnten wir feststellen, dass die Gespraeche mit Dozierenden und Studierenden des IfM als Point of Departure fuer den andauernden Prozess einer gepflegten Medienpraxis dienen.

Zum Diskurs der wissenschaftsangemessenen Medienpraxis

Die Grundidee fuer das beschriebene Projektmodul knuepft an bereits bestehende Ansaetze an und entwickelt diese Ansaetze im Kontext medienwissenschaftlicher Forschung weiter. Michael Baute (2014) beschreibt einen dieser Ansaetze als den studentischen Video-Essay. Das Konzept der Seminare, die Baute seit 2012 durchfuehrt, baut auf vorangegangenen Forschungen zum „filmvermittelnde[n] Film“ auf (Baute, 2014: 196). Der Ablauf der Seminare ist dabei aehnlich, wie der des Projektmoduls, da auch dort zunaechst ueber das Format selbst gesprochen wird. Anhand von Beispielen gibt Baute eine Einfuehrung in den videographischen Umgang mit Forschungsdaten (vgl. ebd.:195). Wir konnten feststellen, dass die regelmaessigen Feedback-Gespraeche mit den Studierenden, aehnlich wie bei Baute, produktiv und foerderlich fuer das Endprodukt waren. Ein entscheidender Unterschied liegt darin, wie die Studierenden das Material in den Video-Hausarbeiten aktiv bearbeiten und neu interpretieren.

Baute beschreibt die Arbeit mit bereits vorhandenem Videomaterial als eine Form der Selbstreflexion, die in stetigem Austausch zwischen Rezeption und Produktion stattfindet (vgl. ebd.: 194). Teilnehmende seines Seminars verwenden Material aus Filmen und nutzen dies fuer die videographische Umsetzung einer Filmkritik. Dieser Umgang mit Filmmaterial unterscheidet sich insofern von den Video-Hausarbeiten des Projektmoduls, als dass dort von einem theoretischen Thema die Bruecke zum Videomaterial geschlagen wurde. Statt einer Balance zwischen Rezeption und Produktion, findet dort zusaetzlich also eine Transferleistung von der Theorie in die Praxis statt. Die Video-Hausarbeit setzt sich dabei vor allem in der Textarbeit von dem Video-Essay ab, was man bereits an der Namensgebung der beiden Formate erkennen kann. Zwar ist der Video-Essay als Format durchaus fuer die Analyse von Archivmaterial geeignet (vgl. Tascón 2018: 139), jedoch sind die grundlegenden Unterschiede zwischen einem Essay und einer Hausarbeit entscheidend fuer die Aspekte des Projektmoduls und der Tutorien die unseres Erachtens nach das Potenzial fuer eine gepflegte Medienpraxis haben.

Gepflegte Medienpraxis nimmt also hier eine Form an, die nicht versucht den Praxisbegriff in der Medienwissenschaft neu zu definieren oder die Frage nach diesem endgueltig zu beantworten. Unser Ansatz schlaegt vor, Praxis aus der Medienwissenschaft heraus zu bilden oder anders formuliert, ein Format zu schaffen, dass in der Lage dazu ist, medienwissenschaftliche Forschungsfragen zu beantworten. Daher wollen wir zum einen den Diskurs um Medienpraxis am IfM langfristig aufrechthalten und zum anderen den Studierenden die Moeglichkeit bieten, alternative Formen der Leistungsnachweise zu erkunden. Die Video-Hausarbeit fordert hier eine differenzierte Herangehensweise an die Verarbeitung der Literatur und anderen Daten und eignet sich demnach als ein Ansatz fuer unseren Vorschlag. Mit der Erarbeitung dieser neuen Formate steht somit nicht der Umgang mit Medientechnik im Vordergrund, sondern die Frage danach, wie diese Medientechnik nachhaltig in einem wissenschaftlichen Kontext eingesetzt werden kann, um die Differenz zwischen Theorie und Praxis zu pflegen.

Das Problem der Pflege

Die Herausforderungen bei dem Vorhaben einer gepflegten Medienpraxis am IfM setzt sich aus verschiedenen Aspekten zusammen. Zum einen handelt es sich bei dem Konzept des AKM um ein relativ neues Projekt. Ziel ist es zwar, mit dem gesamten Institut in den Dialog zu treten, dies ist jedoch nicht immer gegeben. Zum anderen herrscht das Problem, dass bereits etablierte Formen der Medienpraxis vermeintlich den Bedarf an praktischen Auseinandersetzungen mit medienwissenschaftlichen Themen decken.

Um diesem Problem entgegenzuwirken und dadurch den Diskurs, und die universitaere Medienpraxis am Institut zu stabilisieren, haben wir den Tag der Medienpraxis konzipiert. Dort sollen Projekte von Studierenden, die im Verlauf des jeweiligen Semesters entstanden sind in einer Art Rundgang gezeigt und diskutiert werden. Die Praesentation der Projekte ist somit auch zutraeglich fuer die Studierenden, die Teil der Diskussion werden und somit ihre Perspektiven auf Medienpraxis am Institut mit einbringen koennen. Um die Medienpraxis zu verstaendigen, werden zu diesem Zweck alle Praxislehrenden des Instituts zu dieser Veranstaltung eingeladen. Die Lehrenden sollen dann im Rahmen eines Kolloquiums ihre Erfahrungen aus den Praxismodulen vorstellen und diskutieren. Die Veranstaltung soll zum einen medienpraktische Arbeiten hervorheben und zum anderen soll ein Rahmen geschaffen werden, in dem ueber Medienpraxis wird. Langfristig soll die Veranstaltung einmal im Jahr stattfinden und ein fester Bestandteil der Debatte um Medienpraxis am IfM werden.

Fazit

Die Gespraeche mit Dozierenden des IfM haben gezeigt, dass unser grundsaetzliches Vorhaben, eine Debatte um die Medienpraxis am Institut zu initiieren, sowohl erwuenscht ist als auch erfolgreich stattgefunden hat. Unseres Erachtens nach ging die primaere Problematik nicht von einem generellen Desinteresse aus, sondern von dem bereits etablierten Umgang mit Praxis in der Medienwissenschaft und dem daraus resultierenden und in diesem Artikel ausfuehrlich beschriebenen Problem, die Praxis von der Theorie zu trennen. Von diesen Gespraechen aus konnten wir eine fortlaufende Zusammenarbeit realisieren und der AKM ist mittlerweile fester Bestandteil des Instituts und wird ueber diesen finanziert. Auch in den propaedeutischen Veranstaltungen des Bachelor-Studiums, die fuer die Studierenden verpflichtend sind, sind die Inhalte des AKM und die Auseinandersetzung mit videographischen Formaten in der Wissenschaft fest integriert.

Die im Rahmen des Projektmoduls entstandenen Arbeiten machen deutlich, dass das Format der Video-Hausarbeit langfristig das Potenzial fuer eine etablierte Form der Leistungserbringung im medienwissenschaftlichen Studium hat. Die Herausforderung, wissenschaftliche Thesen und Fragestellungen trotz des Medienwechsels ausfuehrlich zu eroertern, bestand zwar, jedoch hat sich gezeigt, dass ein stetiger Austausch und die regelmaessigen Datensitzungen und Sichtungen der Fortschritte der Studierenden, ausserordentlich zutraeglich fuer den Arbeitsprozess waren.

Trotz dieser positiven Ergebnisse, bestehen auch Schwierigkeiten in der weiteren Arbeit des AKM. Die Entwicklung zukuenftiger Lehrformate stellt eine wesentliche Herausforderung dar. Obwohl der AKM, wie erwaehnt, Teil des Instituts ist, bleibt das Mitspracherecht als studentische Initiative weiterhin begrenzt. Eine aktive Teilnahme an der Gestaltung des Curriculums ist momentan nur schwer vorstellbar. Im Kontext der Planung von Seminaren und Vorlesungen begegnen wir auch dem Problem der Leistungsnachweise. Die Pruefungsordnung erlaubt zwar medienpraktische Projekte fuer die allgemeine Leistungserbringung, diese bleiben jedoch, mit Ausnahme vom Projektmodul im Master-Studium, immer unbenotet. Die Herausforderung besteht darin, den Mehraufwand, der durch eine AV-Produktion gegenueber einem Referat oder einer Lesekarte entsteht, angemessen auszugleichen. Gleiches gilt auch fuer andere Medienformate, die wir langfristig in unser Angebot einarbeiten wollen. Dies fordert jedoch, den gesamten Studiengang neu zu akkreditieren, was den ohnehin schon prekaeren Stellenwert der schriftlichen Hausarbeit weiter beeintraechtigen koennte. Insbesondere im Bachelor-Studiengang besteht zurzeit das Problem, das die Studierenden oftmals lediglich zwei Hausarbeiten schreiben, bevor sie mit der Abschlussarbeit beginnen. Hinzu kommt die Herausforderung, dass auch viele andere Studierendenprojekte betrifft: Langfristiges Bestehen. Die Konzeptarbeit muss demnach auch Studierende fuer die Mitarbeit gewinnen. Wie diese Aufgabe effektiv umgesetzt wird, kann und soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Deutlich ist jedoch, dass dies auch Teil der Arbeit sein muss, um das langfristige Bestehen des AKM zu gewaehrleisten.

Die Arbeit des AKM zeigt, dass der Ansatz einer studentisch geleiteten Medienpraxis durchaus fruchtbar ist. Wir wollen dennoch betonen, dass dies lediglich ein Vorschlag fuer eine gepflegte Medienpraxis ist. Die Ergebnisse am IfM deuten auf das Potenzial dieser Herangehensweise hin. Es erfordert jedoch weitere Initiativen und Gespraeche, um das Verhaeltnis von Theorie und Praxis in der deutschen Medienwissenschaft langfristig umzugestalten.

Literaturverzeichnis

Baute, Michael. 2014. „ueber Video-Essay-Seminare“. https://doi.org/10.25969/MEDIAREP/1326.

Heinicker, Paul, Armin Beverungen, Paul Hoffstiepel, Mace Ojala, und Antonia Wulff. 2023. „Medienpraxislehre in der Medienwissenschaft. Empirie und Exploration“. https://mediarep.org/handle/doc/21269.

Metag, Julia. 2019. „Visuelle Wissenschaftskommunikation“. In Handbuch Visuelle Kommunikationsforschung, herausgegeben von Katharina Lobinger, 291–312. Wiesbaden: Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06508-9_35.

Passmann, Johannes, und Florian Sprenger. 2023. „Gepflegte Medienpraxis“. ZfM - Zeitschrift fuer Medienwissenschaft 15 (29–2): 143–48. https://doi.org/10.14361/zfmw-2023-150214.

Tascón, Sonia M. 2018. Visual Communication for Social Work Practice: Power, Culture, Analysis. London: Routledge. https://doi.org/10.4324/9781351241977.

Roboter in der Lehre

von Florian Sprenger

Eine Medienwissenschaft, die an und mit Technik argumentiert, ist immer wieder mit der Herausforderung ihrer eigenen Praxiskompetenzen konfrontiert: Wie koennen wir als Geistes- und Kulturwissenschaftler:innen ueber etwas sprechen, geschweige denn etwas lehren, von dem wir allenfalls die basalen Strukturen verstehen? Wie koennen wir uns aktuellen Phaenomenen technologischer Entwicklungen naehern, wenn uns diese immer einen Schritt voraus sind? Die Loesung, die wir im Virtual Humanities Lab des SFB Virtuelle Lebenswelten fuer dieses Grundproblem medienwissenschaftlicher Technikanalyse erproben, besteht aus zwei Schritten: dem Finden der richtigen Fragen und dem spekulativen Basteln bzw. Critical Making. Wir koennen und wollen keine technischen Loesungen finden und auch keine Prototypen entwickeln, sondern bestehende Wege besser verstehen, historisch verorten und am Material nachvollziehen. Da praktische und methodische Fragen immer auch epistemologische Herausforderungen sind, begreifen wir diesen methodisch kontrollierten, aber praktisch chaotischen Ansatz als epistemologisches reverse engineering. Es geht also um eine Verbindung etablierter historisch-epistemologischer Ansaetze mit spekulativ-experimentellen Verfahren.

Deshalb orientiert sich unsere Arbeit in Forschung und Lehre, die ich am Beispiel eines Seminars zu Robotern vorstellen moechte, einerseits an klassischen medienwissenschaftlichen bzw. technikphilosophischen Fragen, andererseits aber auch an der staendigen Herausforderung unserer eigenen Grenzen durch das Experimentieren und Ausprobieren. Wir moechten Fragen stellen, die Ingenieur:innen nicht stellen: uns interessiert weniger, wie ein Roboter funktioniert oder seine Problemloesungskompetenz verbessert werden kann, als vielmehr, was die Welt fuer einen Roboter ist, wie er sich durch Sensoren und Algorithmen zu seiner Umgebung verhaelt, welche Rolle virtuelle Umgebungsmodelle dabei spielen und was uns das ueber unser Verhaeltnis zu diesen Robotern sagt. Der Fokus unserer Forschung liegt deshalb auf den medialen uebersetzungsprozessen, die Aspekte der Welt virtualisieren, d.h. durch Filterung, Modellierung und Simulation ebenso moegliche wie wahrscheinliche Welten erschaffen, die der Welt auf spezifische Weise entsprechen – etwa in der Form sogenannter world models fuer autonome Technologien wie Drohnen, Autos und Roboter, der Erfassung raeumlicher Relationen fuer die Einbettung von Augmented Reality-Anwendungen auf Smartphones oder der Herstellung von Vorlagen fuer den 3D-Druck. Diese Fragen bearbeiten wir, indem wir selbst Roboter bauen – auf eine Weise, die Ingenieur:innen wohl nur ein muedes Laecheln abverlangen wuerde, uns aber Zugang zu Fragen verschafft, die auf anderen Wegen kaum zu stellemn sind.

Das Ziel dieses Seminars, das ich in Varianten fuer den BA und den MA angeboten habe, liegt darin, eine Verbindung zwischen der theoretischen Arbeit und einem Hands-on-Zugang herzustellen, den Studierenden also im Sinne einer Artefaktanalyse (vgl. Lueger, Manfred/Froschauer, Ulrike: Artefaktanalyse: Grundlagen und Verfahren. Wiesbaden: Springer, 2018.) historisches wie systematisches Wissen ueber Roboter und Sensoren zu vermitteln. Zunaechst ist wichtig, dass wir keine IngenieurInnen ausbilden, sondern GeisteswissenschaftlerInnen. Die Studierenden haben zwar oft Vorwissen – in manchen Faellen sind sie sogar ExpertInnen –, aber wichtig ist uns, dass wir andere Fragen stellen als in einem Seminar z.B. in der Neuroinformatik, die ebenfalls mit und an Robotern forscht.

Das Seminar umfasst zum einen die Lektuere medienwissenschaftlicher Texte zur Frage, wie und was Sensoren ueber ihre Umwelt ‚erfahren‘ koennen, wie sich Roboter inUmgebung orientieren. Zum anderen besteht ein Teil des Seminars im problemorientierten Lernen anhand von praktischen Experimenten, Spekulation und Programmieruebungen. In der ersten Sitzung des mehrfach erprobten und an den BA sowie dem MA-Studiengang angepassen Roboter-Seminars werden die Studierenden an das spekulativ-experimentelle Vorgehen herangefuehrt. Sie sollen anhand von zwei sehr einfachen Robotern - dem in der DDR entwickelten, analog programmierbaren Auto Kybernet sowie einem Hexbug, der mit Beruehrungs- und Geraeuschsensoren ausgestattet ist - in einem ersten Versuch des epistemologischen Re-Engineerings die Regelwerke dieser Maschinen untersuchen und als einfache Algorithmen reformulieren. In Frage steht dabei von Beginn an der Beobachtungsstandpunkt: Die Roboter 'wissen' nichts von ihrer Umgebung, sondern brauchen spezifische uebersetzungsverfahren, um auf ihre Umgebung zu reagieren. Aber wie koennen wir als Beobachter:innen diese uebersetzungen beschreiben? Wie koennen wir uns in einen Roboter hineinversetzen, um besser zu verstehen, wie sich ihm die Welt darstellt? Und wie koennen wir die Regeln ihres Verhaltens rekonstruieren, die ihnen durch Hard- und Software gegeben sind?

Gerahmt wird dieses erste Experiment von der Lektuere einschlaegiger Texte zur Geschichte der Robotik. Im weiteren Verlauf des Seminars werden unterschiedliche Lehrroboter eingefuehrt, die unter anderem fuer den Schulunterricht entwickelt worden sind, etwa Thymio oder Lego Mindstorms. Diese Systeme sind mittels einfacher Blockprogrammierung bedienbar, was Veraenderungen im Code direkt als Veraenderungen im Verhalten beobachtbar werden laesst und darum fuer Demonstrationszwecke besonders gut geeignet ist. Begleitet von historisierenden Lektueren ingenieurwissenschaftlicher Texte sowie medienwissenschaftlicher Grundlagenliteratur, entwickeln die Studierenden in Kleingruppen in vier Projektsitzungen, die ueber das Semester verteilt sind, kleine Aufgaben fuer diese Roboter. Diese Aufgaben koennen etwa darin bestehen, den Thymio ein Muster auf ein Blatt Papier zeichnen zu lassen oder mit Lego Mindstorms einfache Farberkennung zu programmieren. Die Studierenden sollen zudem ihren Erkenntnisweg, ihre Fragestellungen und ihre Ergebnisse im Laborbuch des VHL dokumentieren. So lernen sie, dass fuer die Arbeit mit Maschinen die genaue Beobachtung der eigenen Interventionen und die parallele Reflexion von entscheidender Bedeutung sind.

Als ein weiteres, ueberaus produktives Lehrinstrument haben sich zudem Arduino-Microcontroller herausgestellt.

Arduino ist eine partizipative, offene Prototyping-Plattform fuer Physical Computing auf Open Source-Basis. Dieses Tool wurde von einer Gruppe von Ingenieur_innen und Designer_innen am Interaction Design Institute in Ivrea/Italien entwickelt. Arduino wurde sowohl als zugaengliche Plattform fuer Designprojekte als auch als paedagogisches Hilfsmittel entwickelt und wird – neben zahlreichen Anwendungen in der kommerziellen wie nicht-kommerziellen Technikentwicklung – in den Ingenieurwissenschaften und an Kunsthochschulen eingesetzt, um informatisches Basiswissen sowie Grundlagen des Programmierens zu vermitteln (vgl. Muxel, Andreas et al.: Experimente. In: Code und Material: Exkursionen ins Undingliche. Herausgegeben von Georg Trogemann, 29–53. Wien: Springer, 2010; Brucker-Cohen, Jonah: Media Production with Arduino. In: Learning Through Digital Media: Experiments in Technology and Pedagogy. Herausgegeben von Trebor Scholz, 267–72. New York: Institute for Distributed Creativity, 2011.). So werden neue Anwendungen und aesthetische Formen moeglich und Hands-on-Zugaenge eingeuebt, die durch die Verbindung von praktischem und theoretischem Wissen ueber technische Zusammenhaenge auch fuer die Medienwissenschaft relevant sind. Arduino bildet eine Schnittstelle zwischen materiellen und digitalen Tools und ist daher fuer medienwissenschaftliche Forschung und Lehre gleichermassen geeignet.

Ein typisches Arduino-Set besteht aus dem Microcontroller selbst, ueblicherweise einem Arduino Uno, der ueber einen USB-Anschluss Strom erhaelt und von einem Computer angesteuert und programmiert werden kann. Fuer den didaktischen Einsatz kann der Microcontroller auf einer Plastikplatte befestigt werden, auf der sich auch ein Breadboard befindet. Auf diesem koennen Komponenten wie Transistoren, Widerstaende und analoge bzw. digitale Sensoren mit einfachen Steckverbindungen – d.h. ohne Loeten – zu Stromkreisen verbunden werden.

Microcontroller sind Ein-Chip-Computer auf einer Platine, die unterschiedlich konfigurierte Peripheriefunktionen, Ports, Schnittstellen, Displays, Sensoren, Aktuatoren und Speicher enthalten koennen. Microcontroller werden seit den fruehen 1970er Jahren in zahlreichen elektronischen Geraeten verbaut, von PC-Peripheriegeraeten und Chipkarten ueber Haushaltsgeraete und Unterhaltungselektronik bis zu Autos und Waffensystemen. Entsprechend haben Microcontroller mediale Funktionen: Sie vermittelnzwischen Sensoren Aktuatoren, d.h. zwischen den Komponenten, die physikalische Ereignisse in der Umgebung registrieren und in Daten verwandeln sowie Komponenten, die Aktionen umsetzen und etwa Raeder bewegen, Dioden in einer gesetzten Frequenz blinken lassen, akustische Signale produzieren oder einem Hindernis ausweichen. Jeder Roboter verfuegt also ueber Microcontroller, von denen aus sich basale Operationen einsichtig machen lassen.

Arduino-Controller haben die Besonderheit, mit einer integrierten Entwicklungsumgebung (IDE) programmierbar zu sein, die am Computer bedient wird. Sie umfasst einen Editor sowie einen Compiler und wird mit einer C/C++-basierten und leicht erlernbaren Programmiersprache bedient. Arduino-Microcontroller werden in unterschiedlichen Varianten fuer verschiedene Anwendungszwecke angeboten und sind quelloffen. Die Anschaffungskosten sind ueberschaubar, denn ein Starter Kit kostet nur rund rund 70€.

Ueber einschlaegige Onlineforen hinaus stehen empfehlenswerte Einfuehrungs- und Projekthandbuecher zur Verfuegung, die sich gerade fuer den Einsatz im Lehrkontext anbieten (vgl. bspw. Bartmann, Erik: Die elektronische Welt mit Arduino entdecken. Beijing et al.: O’Reilly, 2015.). Dem Starter Kit etwa liegt zur Vermittlung von Grundlagenwissen ein Handbuch mit 15 Experimenten bei, das auch fuer die sehr gut geeignet ist, weil es genau erklaert, was ein Sensor oder was der Unterschied zwischen einem analogen und einem digitalen Input ist. Mit entsprechenden Kenntnissen lassen sich durchaus komplexe und auch im Alltag nutzbare Projekte umsetzen – vom automatisierten Katzentuerchen bis zum Staubsaugerroboter.

Im Durcharbeiten der Experimente aus der Anleitung werden die Studierenden schrittweise anArduino-Plattform technischen Voraussetzungen herangefuehrt Ziel durch Arduino ueber Sensoren Verhaeltnis zuihrer Umgebungmedialen Bedingungeneigene VerhaeltnisUntersuchungsobjekt zu lernen Zu diesem Zweck arbeiten die Studierenden eigenverantwortlich in Kleingruppen. Beginnend mit ersten, einfachen Schritten eignen sie sich den Umgang mit den Bestandteilen des Kits von Dioden ueber Kabel bis Steckplatinen mittels einfacher Schaltkreise an.

Die Arbeit mit Arduino veraendert den Blick auf Kommunikationsprozesse, Interaktionen, Arbeitsablaeufe und somit auf Schnittstellen: von Menschen zu Maschinen, Menschen untereinander und Maschinen untereinander (Computer – Arduino). Zugleich weitet diese Auseinandersetzung den Blick in Bezug auf iterative Reflexions- und Herangehensweisen und medientechnisches Wissen, wenn die experimentellen Phasen von Lektueren einschlaegiger Texte begleitet werden. So wird es moeglich, diskurshistorische, medientheoretische und medienarchaeologische Ansaetze eng am Material zusammenzufuehren.

Informatisches Fachwissen ist keine Voraussetzung, um mit Arduino zu unterrichten. Mit Arduino lassen sichelektrotechnische und informatische Grundkenntnisse erwerben und vermitteln, sodass im Prinzip keinerlei Vorkenntnisse noetig sind. Wissen wird in der Praxis generiert. Es geht also nicht um das Einueben informatischen Computational Thinkings, sondern um eine Einordnung dieser Rationalitaet durch Critical Making. Besonders produktiv ist Arduino dabei aufgrund der engen Verschraenkung von Hardware und Software, die das medienwissenschaftliche Interesse an Materialitaeten eng mit den Bedingungen und Vorentscheidungen von Code koppelt. Das Schreiben bzw. zunaechst Abschreiben eines Codes, mit dem diese Hardware in Gang gesetzt wird, ist mit der Bastelarbeit an der Hardware verbunden. So werden Topologien, Prinzipien und Zusammenhaenge digitaler Kulturen (wie etwa die zwischen Materiellem und Virtuellem oder zwischen analogen und digitalen Signalen) erkennbar.

In der Lehre mit Arduino tauchen hin und wieder – teilweise nicht reproduzierbare – Probleme auf, wenn etwa Dioden nicht leuchteten, obwohl alles im Sinne der Anleitung verbunden war. Doch in diesen Seminaren geht es darum, die Auseinandersetzung mit dem, was nicht funktioniert oder was man (noch) nicht versteht als Teil des Erkenntnisprozesses zu begreifen. Mangelnde Expertise ist daher nicht notwendigerweise ein Nachteil – vorausgesetzt, man vermittelt den Studierenden einen Problemzugang, der nicht auf Expert:innenwissen, sondern auf kreative Spekulation und praktische Experimente zielt. Durch die Arduino kennzeichnende Durchlaessigkeit von Code und Material werden die Herausforderungen und die ‚Messiness‘ der technischen Operationalisierung von Hypothesen etwa ueber den Zugang des Roboters zur Welt erfahrbar, die in Kontrast zu den Versprechungen der Reibungslosigkeit etwa des autonomen Fahrens stehen. Dieses Vorgehen zielt nicht auf die Entwicklung robotischer Loesungen, sondern auf den Nachvollzug von Rahmenbedingungen und Einschraenkungen.

Diese Seminare sollen also dazu dienen, einen kritischen und reflektierten Umgang mit Objekten digitaler Kulturen einzuueben, der diese nicht nur als Werkzeuge nutzt. Vielmehr geht es darum, die uebersetzungsprozesse zu verstehen, mittels derer Welt fuer digitale Technologien konstruiert und modelliert wird. Indem die Studierenden mit Robotern lernen, dass jeder Schritt programmiert und dabei festgelegt (und moeglichst auch diskutiert) werden muss, wird deutlich, wie sehr die Technologien, die uns umgeben, von solchen kulturellen Prozessen und Vorentscheidungen gepraegt sind.